chhofmann
„Die Entfernung ist unwichtig. Nur der erste Schritt ist wichtig!”

2023-07-28

Die Gewerbeordnung und der Weg in die Selbstständigkeit

Die derzeit geltende Gewerbeordnung 1994 wird laufend an die aktuellen Erfordernisse angepasst und verfolgt das Ziel, das Leben von Gründern und bestehenden Unternehmern durch Entbürokratisierung und einem Plus an unternehmerischen Freiheiten zu erleichtern!
Als eine der wichtigsten berufs- und unternehmensrechtlichen Regelungen in Österreich wird die GewO vielfach kritisiert, die Zügel hinsichtlich des Gewerbezugangs zu streng anzuziehen und vermittelt dadurch den Eindruck einer Straßenblockade auf dem Weg in die Selbstständigkeit.

Persönlich stelle ich mir die Frage, ob eine gewisse „väterliche“ Strenge des Staates potentielle Gründer vor künftigen finanziellen Schäden und damit verbundenen privaten Problemstellungen schützt, oder ob eine gänzliche Liberalisierung der Gewerbeordnung den Standort Österreich attraktiver macht und somit auf ein neues und höheres wirtschaftliches Niveau katapultiert.

Um die obenstehende Frage zu beantworten, müssen zuerst die Grundpfeiler der Gewerbeordnung geklärt werden!

Wenn eine Tätigkeit, welche der Gewerbeordnung unterliegt, gewerbsmäßig ausgeübt wird, ist eine Gewerbeberechtigung notwendig! Der Begriff gewerbsmäßig wird erfüllt, wenn die Tätigkeit selbstständig, regelmäßig und in Ertragserzielungsabsicht ausgeführt wird. Ausschlaggebend ist hier, dass ein gewisses unternehmerisches Risiko vorhanden ist und die Ausführung mit der Absicht betrieben wird, ein Entgelt zu erzielen, das die mit der Tätigkeit im Zusammenhang stehenden vollen Kosten übersteigt.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, muss der Gründer klären, ob die allgemeinen Voraussetzungen zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung gegeben sind.
Allgemeine Voraussetzungen, welche die Person betreffen, sind beispielsweise die Eigenberechtigung (Vollendung des 18. Lebensjahres, kein gerichtlicher Erwachsenvertreter), Fehlen von Ausschlussgründen (z.B. Vorstrafen, Bestrafungen wegen bestimmter Finanzvergehen oder ein mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnetes Insolvenzverfahrens) und ein Gewerbestandort in Österreich.

Sind die Grundvoraussetzungen geklärt, stellt sich die Frage, ob die Gewerbeberechtigung frei oder reglementiert ist. Ein freies Gewerbe kann von jedermann angemeldet werden, der die Grundvoraussetzungen erfüllt. Ein reglementiertes Gewerbe setzt zur Anmeldung einen Befähigungsnachweis voraus, welcher durch theoretische und praktische Ausbildungsnachweise zu erfüllen ist.
Im Detail: Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, dass der Gewerbetreibende alle fachlichen und kaufmännischen-rechtlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um ein reglementiertes Gewerbe selbstständig ausüben zu können.

Im Regelfall sind somit facheinschlägige, theoretische Zeugnisse (z.B. Lehrabschlussprüfung, Meisterprüfung oder Besuch einer höheren Fachschule) mit praktischen Zeiten, welche die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, zu kombinieren, um den Befähigungsnachweis zu erfüllen.
Warum im Regelfall? Bei vielen reglementierten Gewerben geht der Gesetzgeber davon aus, dass wenn der Antragswerber einen gewissen Zeitraum lang als Betriebsleiter oder Selbstständiger mit gewerberechtlichem Geschäftsführer tätig war, ausreichend Kenntnisse vorliegen, um das Fehlen facheinschlägiger theoretischer Zeugnisse zu kompensieren.
Der Nachweis der praktischen Zeiten wird insofern erschwert, weil diese in Betriebsleitung oder in leitender Stellung nachgewiesen werden müssen. Das bedeutet, dass der Antragswerber bereits in seiner Zeit als Unselbstständiger überwiegend mit kaufmännischen und technischen Aufgaben betraut war und die Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens innehatte.

Erfüllt der Antragswerber alle Grundvoraussetzungen und den Befähigungsnachweis, kann das reglementierte Gewerbe angemeldet werden!
Im Einzelfall gibt es zusätzliche Erfordernisse, wie beispielsweise eine gesetzliche Haftpflichtversicherung im Bau, welche bei der Gewerbeanmeldung vorliegen muss.

Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten, die zur Erfüllung des Befähigungsnachweises erforderlich sind, auch auf andere Art und Weise nachgewiesen werden können, was im Rahmen der Feststellung der individuellen Befähigung von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu beurteilen ist.

Um das ganze trockene juristische Gerede zu veranschaulichen, ein Beispiel:

Allgemeinen Voraussetzungen werden erfüllt: das freie Gewerbe „Zusammenbau und Montage beweglicher Sachen, mit Ausnahme von Möbeln und statisch belangreichen Konstruktionen, aus fertig bezogenen Teilen mit Hilfe einfacher Schraub-, Klemm-, Kleb- und Steckverbindungen“ kann angemeldet werden.

Allgemeine Voraussetzungen werden erfüllt: 1. Prüfung des Befähigungsnachweises. 2. Prüfung der zusätzlichen Voraussetzungen (gesetzliche Haftpflichtversicherung) das reglementierte Gewerbe „Baumeister gem. § 94 Z 5 GewO 1994“ kann angemeldet, als Zuverlässigkeitsgewerbe aber erst mit rechtskräftigem Bescheid der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde ausgeführt werden.

Persönliches Fazit:

Hinsichtlich handwerklicher Berufe, welche in vielen Fällen aufgrund statisch belangreicher Konstruktionen mit einer erhöhten Gefahr für Leib und Leben verbunden sind, ist meiner Ansicht nach eine strenge Reglementierung der Zugangsvoraussetzungen sinnvoll, um sowohl den Gewerbeinhaber vor schwerwiegenden Schadenersatzansprüchen und Haftungsfragen zu schützen, als auch den Konsumenten eine dem Stand der Technik und ordnungsgemäß Ausführung zu garantieren.
Im Dienstleistungssektor wurden die Zügel teilweise gelockert, was sicherlich einen gewissen Wettbewerb und eine Weiterentwicklung der Fähigkeiten schafft, aber oftmals auch aufgrund fehlender Fähigkeiten Probleme verursacht, welche sich wie ein Rattenschwanz durch die Wirtschaft ziehen.

Wenn man das große Ganze, eine funktionierende Wirtschaft, im Auge behält, ist ein Mittelweg zu befürworten – theoretische und praktische Kenntnisse und Fähigkeiten sind Voraussetzung, um in gewissen Bereichen erfolgreich arbeiten zu können; eine Liberalisierung macht dort Sinn, wo Sie den Gewerbetreibenden unterstützt – z.B. bei der Ausübung der Nebenrechte.

Admin - 09:00:12 @ Recht Allgemein | Kommentar hinzufügen

Hinweis: Rechtsansichten in diesem Blog sind unverbindlich und stellen meine persönliche Meinung dar!

 
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